
Bewältigungsstrategien
Was hilft denn tatsächlich in Überforderungssituationen?
Vielen, gerade hochsensiblen Menschen, ist bewusst, welche Situationen sie überfordern und unter Stress setzen. Aber es fehlen ihnen einfache Strategien, mit solchen Situationen besser umzugehen. Deshalb habe ich hier eine Sammlung zusammengestellt von Strategien, die mir helfen bzw. die überhaupt nicht hilfreich sind.

Hilfreiche Strategien
1. Auszeit nehmen
Die größte Hilfe ist es, sich aus einer überfordernden Situation kurz mal zurück zu ziehen. Das heißt nicht notwendigerweise (es ist ja auch oft nicht möglich), den Raum zu verlassen und es muss auch kein großer zeitlicher Aufwand sein.
Auszeit nehmen heißt: Kurz mal durchatmen, sich bewusst auf etwas zu konzentrieren (den Baum vor dem Fenster, den kleinen Vogel auf dem Fenstersims, die eigene Atmung), um aus der Situation zu kommen. Wichtig: Nicht als Auszeit etwas wählen, was noch zusätzlich überfordert (Handy, Fernseher etc.)
Sich einfach mal hinsetzen und zehn Minuten einen Baum anschauen kann Wunder wirken!
2. zu sich selbst liebevoll sein
Als wir klein waren, hat im besten Falle diesen Part unsere Mutter übernommen. Sie hat in Situationen, die stressig waren, in denen wir an uns zweifelten oder nicht weiter wussten uns ermutigt, uns gezeigt, dass wir geliebt werden, den Druck reduziert, den wir uns selbst gemacht haben.
Als Erwachsene haben wir den großen Vorteil, von dieser Zuneigung der Mutter nicht mehr abhängig zu sein, denn wir können uns das selbst geben. In überfordernden Situationen hilft es, mit sich selbst so umzugehen wie eine liebevolle Mutter mit ihrem Kind umgehen würde.
Das heißt konkret: Sich selbst gut zusprechen, sich selbst in den Arm nehmen, mit sich über eine absurde Situation lachen (mit sich, nicht über sich).
3. Schreiben
Es ist sicherlich sehr offensichtlich, dass es sich hierbei auch um eine meiner liebsten Strategien handelt ;-)
Nun muss man nicht gleich einen Blog erstellen. Aber es hilft, Gedanken einfach niederzuschreiben, sich einfach ein Tagebuch zu erstellen und immer wieder Zeit zu nehmen, dort hinein zu schreiben.
Es hilft, die Gedanken zu ordnen und sich weniger hilflos zu fühlen.
Oft hilft es auch, etwas als Brief zu formulieren, den man vielleicht nie abschickt, doch durchs Schreiben erhält es mehr Gewicht.
4. Was ist das Geschenk? Dankbar sein
Wenn uns eine Situation ärgert oder stresst oder irgendetwas nicht so läuft, wie wir es gern hätten, können wir innehalten und uns fragen: "Was ist das Geschenk darin?"
Oft kommen wir durch diese Änderung des Blickwinkels zu verblüffenden neuen Erkenntnissen und hören auf, uns als Opfer zu fühlen.
Beispiel: Wir stehen im Stau, ärgern uns. Doch was könnte das Geschenk darin sein? Vielleicht haben wir so die Gelegenheit, ein Telefonat zu führen mit der besten Freundin, wozu wir sonst nicht die Zeit finden. Vielleicht kommen wir so zu spät zu einem Termin, zu dem wir eigentlich sowieso nicht wollten und haben jetzt die perfekte Ausrede, dass wir nicht teilnehmen können.
Es macht Sinn, sich im Leben auf die Dankbarkeit auszurichten. Es gibt immer etwas, wofür wir dankbar sein können. Oft sehen wir das nur nicht. Wer dankbar ist, fühlt sich weniger hilflos der Situation ausgeliefert und lässt sich auch nicht so schnell stressen. Es ist auch eine schöne Möglichkeit, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen wie angeboten von "Seinsibel" (https://seinsibel.com)
5. Raus in die Natur
Gerade für uns Hochsensible ist die Nähe zur Natur absolut wichtig. In den Wald gehen oder auch nur in den Garten kann das ganze System total entlasten und zu neuer Klarheit und neuer Kraft führen. Außerdem kommt man dann in Bewegung und sitzt nicht grübelnd in den eigenen vier Wänden.

Nicht hilfreiche Strategien
Wenn wir über hilfreiche Strategien sprechen, müssen wir auch über nicht hilfreiche Strategien sprechen, die wir meist unbewusst ausführen und die zur Selbstsabotage führen. Wenn ich hier darüber schreibe, dann will ich das überhaupt nicht werten. Es geht nur um die Bewusstmachung.
1. Grübeln
Es gibt den schönen Spruch: Grübeln ist wie schaukeln, man ist in Bewegung, aber kommt nicht voran.
Natürlich macht grübeln wesentlich weniger Spaß als Schaukeln .... Aber ja, im Grunde ist es ja genau das: Man bewegt sich vor und zurück, vor und zurück, und am Ende ist man kein Stück weitergekommen.
2. Schuldgefühle / was wäre wenn ...
Versteht mich nicht falsch, ich halte es für absolut wichtig, eigene Fehler zu erkennen und einzugestehen. Schuldgefühle sind nicht per se etwas Schlechtes. Doch wir müssen in der Lage sein, sie auch wieder loszulassen. Die ganze Nacht wach zu liegen und sich selbst dafür zu hassen, irgendetwas getan zu haben, hilft tatsächlich niemandem. Am besten noch der Kreislauf, sich dafür fertig zu machen, dass man etwas getan hat und dann sich dafür fertig zu machen, dass man sich dafür fertig macht, dass ... Kenne ich alles. Hilft bloß überhaupt nicht und niemandem.
3. Vergleichen
Klaus-Dieter schafft das aber. Warum schaffe ich das nicht? Vielleicht einfach deshalb, weil Klaus-Dieter Klaus-Dieter ist und nicht ich?
Viele Hochsensible vergleichen sich ganz stark, besonders dann, wenn sie selbst noch nicht so richtig erkannt haben, was mit ihnen los ist.
Allerdings sollten wir uns eines bewusst machen: Niemand wird einem Menschen mit funktionierendem Geruchssinn vorwerfen, einen extrem stinkenden Raum zu verlassen, nur weil jemand, dessen Geruchssinn gestört ist, kein Problem damit hat, sich dort aufzuhalten.
Damit will ich sagen: Wenn jemand feinere Antennen hat und mehr wahrnimmt als andere, ist es natürlich auch so, dass er schneller an den Punkt kommt, eine Situation nicht ertragen zu können. Das ist absolut logisch. Deshalb sind Vergleiche auch völlig unangebracht.
Allenfalls kann ich mich vergleichen mit meinem früheren Ich und dann feststellen, wie weit ich schon gekommen bin.
4. Die Opferrolle einnehmen
Ich kann ja gar nicht anders, weil ....
Irgendwas ist immer.
Je mehr wir uns als Opfer fühlen, desto ohnmächtiger und handlungsunfähiger werden wir. Indem wir anderen die Verantwortung für unser Glück übertragen, da wir ja nur das Opfer der Umstände sind, verhindern wir, dass sich etwas ändert.
Wir hindern uns an unserem eigenen Wachstum.
Gerade in der heutigen Zeit, die sich oft so fremdbestimmt anfühlt, ist es besonders wichtig, die Opferrolle zu verlassen. Die Umstände können wir nicht immer ändern, uns selbst aber zu jeder Zeit.
Damit will ich nicht sagen, dass es nicht manchmal auch gut sein kann, sich mal selbst zu bemitleiden. Manchmal hat das auch eine kathartische Wirkung. Aber es darf eben nur vorübergehend sein und nicht zur Lebenseinstellung werden.
5. Das geht nicht, weil ... ich kann das nicht ...
Natürlich ist es gut, die eigenen Grenzen zu kennen. Doch es sollte uns zu jeder Zeit bewusst sein, dass die Grenzen, die ich jetzt habe, nicht die Grenzen sein müssen, die ich in einem Jahr habe. Ebensowenig müssen die Grenzen, die für einen anderen Menschen gelten, auch für mich gelten.
Gut, bestimmte Dinge bleiben sicherlich unerreichbar, doch warum nicht groß träumen? Warum nicht sich immer wieder über den Tellerrand erheben und es einfach versuchen? Nur so geschieht Wachstum, nur so verändert sich etwas.
Wenn wir uns nur lange genug einreden, dass wir etwas nicht können, dann können wir es auch wirklich nicht. So ist unser Gehirn aufgebaut. Wenn wir aber andererseits fest daran glauben, dass wir es eines Tages doch können werden ... Wer weiß, welches Wunder uns erwartet?
